Grenzen überwinden, damit gute Beziehungen gelingen!

Resolution der Reutlinger SPD Kreiskonferenz, beschlossen am 30. September 2015

 

Für eine solidarische Flüchtlingsarbeit im Kreis Reutlingen

Die SPD im Kreis Reutlingen bekennt sich zur Verantwortung für eine offene Willkommenskultur. Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten vor Ort, als Bürgermeister, als Ortschafts- Gemeinde- und Stadt- und Kreisräte, als Abgeordnete, aber auch als vielfältig ehrenamtlich Tätige arbeiten mit, um die Herausforderungen, die mit der stark ansteigenden Zahl von Menschen, die auf der Flucht vor Krieg, Armut und Vertreibung zu uns kommen, gemeinsam zu bewältigen. 

Wir sind der Überzeugung, dass ein starkes und wirtschaftlich führendes Land diese Aufgabe bewältigen kann. Dazu braucht es den Willen zur Mithilfe in einer starken Zivilgesellschaft, aber auch die Bereitschaft zur Offenheit und die richtigen Entscheidungen in der Politik.

 

Der Erfolg entscheidet sich vor Ort – Ehrenamtsarbeit stärken

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten verstehen uns schon immer als Kommunalpartei. Aus dem Wissen, dass die Entscheidungen vor Ort das gesellschaftliche Miteinander ganz besonders prägen, wissen wir: Erfolg und Misserfolg in der Bewältigung der Flüchtlingsaufgabe entscheidet sich vor Ort. Deshalb erwarten wir, dass sich alle Gemeinden im Kreis Reutlingen mit Unterkünften und ihren sozialen Hilfsstrukturen beteiligen. Dass dies gelingen kann, beweisen jetzt schon viele Städte und Gemeinden im Landkreis. Niemand darf beiseite stehen!

In ganz besonderer Verantwortung stehen dabei die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, die Rätinnen und Räte und die aktiven Bürgerinnen und Bürger, die gemeinsam in der Flüchtlingshilfe in der ersten Reihe stehen. Sie sind Leuchttürme für alle Einwohnerinnen und Einwohner. Ihr Wort und ihre Haltung hat Gewicht. Sie brauchen unsere öffentliche Bestätigung, um für eine Kultur des Willkommens zu werben und zu handeln.

Um die Arbeit der Ehrenamtlichen zu unterstützen und sie zu entlasten, fordern wir eine intensive Begleitung ihrer Arbeit durch hauptamtliche Kräfte. Daneben fordern wir eine unterstützende professionelle Öffentlichkeitsarbeit durch den Landkreis.

 

Herausforderungen entschlossen angehen

Die immer weiter wachsende Zahl der Ankommenden erfordert entschlossenes Handeln. Wir unterstützen deshalb die Bemühungen von Landkreis und Kommunen auch provisorische Lösungen anzugehen und diese dann in einem laufenden Prozess kritisch zu begleiten und anzupassen.

Wir legen Wert darauf, dass Landkreis und Städte bei der Anmietung von Unterkünften nicht in einen Wettbewerb zwischen Erst- und Anschlussunterbringung kommen. Hier fordern wir eine enge Abstimmung, damit kein Mietwucher- Markt entsteht.

Bei der dringend benötigten Aufstockung der Stellen für die Sozialarbeit fordern wir eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Landkreis und den freien Trägern. Zur Finanzierung erwarten wir eine deutliche Erhöhung der Mittel des Landkreises. 1 Sozialarbeiter auf 100 Flüchtlinge ist zu wenig. Wir fordern einen Schlüssel von 1 Stelle auf 80 Flüchtlinge, die zudem auch die örtlichen Rahmenbedingungen (Wegezeiten, Strukturen etc.) berücksichtigt. Zudem bedarf es Ehrenamtskoordinatoren und Asyl- Ombudspersonen in den Gemeinden.

Um die Bearbeitung der Bedürfnisse der Asylbewerber schnell und sachgerecht zu gewährleisten, fordern wir zudem eine Aufstockung der Stellen in diesem Bereich. Nur so lässt sich ein geordnetes Leistungsverfahren der gesetzlichen Asylbewerberleistungen umsetzen. Dies gilt auch für den Bereich der Jugendhilfe, speziell für unbegleitete Jugendliche.

Viele der Flüchtlinge kommen zutiefst traumatisiert zu uns. Um die daraus möglicherweise entstehenden Langzeitfolgen zu vermeiden benötigen wir den Aufbau leistungsfähiger psychologischer Hilfsstrukturen für diese Menschen. Das geht nur in enger Zusammenarbeit zwischen Kommunen, dem Landkreis und den Leistungsträgern

Für den erfolgreichen Start in die schulische Umgebung der Kinder fordern wir ein Sonderprogramm des Landkreises, um Integrationsangebote an den Schulen zu fördern. Die an manchen Schulen existierenden Integrationsklassen decken nur den Spracherwerb ab. Das Land hat die Stellen für die Lehrerinnen und Lehrer in den Vorbereitungsklassen deutlich erhöht. Das erkennen wir an, wissen aber auch: das reicht nicht aus, um die Schulen in ihrer Integrationsarbeit flächendeckend zu unterstützen.

Auf vielen Ebenen findet engagierte Spracharbeit mit den Menschen statt, die zu uns geflüchtet sind. Diese ist dezentral organisiert und stellenweise weder in der Menge noch in der Qualität ausreichend. Deshalb fordern wir zusätzliche Zuschüsse, um den Sprachunterricht zwischen Ehrenamtlichen und den verschiedensten öffentlichen Ebenen zu koordinieren und mit Einstufungstests zu strukturieren.

Wir wissen: die Menschen, die heute zu uns kommen, werden bei uns zum großen Teil bleiben. Deshalb ist eine Integration in den Arbeitsmarkt die Mammutaufgabe der nächsten Jahre. Wir sehen die Arbeitsagentur hier bisher nicht ausreichend aufgestellt. Wir fordern deshalb, dass der Landkreis in der Trägerversammlung das Thema Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt mit höchster Priorität behandelt. Dazu gehört auch die frühzeitige Ermöglichung von Praktika für Asylbewerber aus sicheren Herkunftsländern. Arbeit ist ein zentraler Schlüssel zur Integration.

 

Integration durch Partizipation

Viele der Flüchtlinge die heute zu uns kommen, werden auf Dauer hier bleiben und unsere Gesellschaft mit prägen und verändern. Dabei muss das Entstehen von Parallel- Gesellschaften verhindert werden. Dies gelingt nur durch die Ermöglichung von Partizipation. Dabei ist Staatsbürgerkunde als integraler Bestandteil von Sprachkursen nur ein Ansatz. Wichtiger ist noch, die gesellschaftlichen Entscheidungsstrukturen und Mitwirkungsmöglichkeiten intensiv zu vermitteln und anzuwenden. Die bei uns im Grundgesetz klug und wegweisend aufgezeigten gesellschaftlichen Grundwerte bieten eine starke Basis, um gesellschaftliche Integration durch Partizipation zu gewährleisten. Dies auch in die Tat umzusetzen, ist dann die Aufgabe aller, sowohl der Flüchtlinge, als auch der Menschen, die hier schon leben.

 

Wohnungsbau ist das Thema der nächsten Jahre

Schon vor dem starken Anstieg der Flüchtlingszahlen hat sich die Wohnraumversorgung in Baden- Württemberg, aber auch im Landkreis Reutlingen als wachsende Herausforderung gezeigt. Heute ist klar, dass die Bemühungen deutlich verstärkt werden müssen. Wir unterstützen dabei Bemühungen, bürokratische Hürden zu senken und den Regionalplan unter den neuen Herausforderungen fortzuschreiben.Wir fordern vom Landkreis, dass er anhand von best practice- Beispielen den kommunalen Verantwortungsträgern Anregungen zu einer guten Wohnungsbaupolitik zukommen lässt. Dabei fordern wir, Instrumente wie öffentliche Umlegung von neuem Bauland, die Auflage eines revolvierenden Wohnungsbaufonds und die verstärkte Sozialbindung von Wohnungen offensiv anzugehen.

 

Kommunen brauchen verlässliche Partner

Viele Kommunen im Kreis Reutlingen schaffen Großes in der Bewältigung der Unterbringung und Versorgung der zu uns geflüchteten Menschen. Wir sehen, dass auch Land und Bund versuchen, ihrer Aufgabe gerecht zu werden. Letztlich wird der Großteil der Aufgaben vor Ort entschieden. Wir fordern deshalb einen finanziellen Lastenausgleich. Mit der Einigung bei den Bund- Länder- Verhandlungen zur Flüchtlingspolitik wurden Beschlüsse gefasst, die es den Kommunen ermöglichen, auf die Herausforderungen zu reagieren. Aber auch weitergehende Instrumente der Wohnraumförderung wie die Auflage eines revolvierenden Wohnungsfonds auf Landesebene sollten geprüft und gegebenenfalls umgesetzt werden.

 

Wir stehen für eine offene Gesellschaft

Mit unseren Forderungen machen wir deutlich: Es braucht große Anstrengungen, die Aufgaben, die vor uns liegen zu bewältigen. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten stehen dazu, diese entschlossen anzugehen. Eine Einschränkung des Rechts auf Asyl lehnen wir deshalb ab und fordern stattdessen die konsequente und schnelle Anwendung des geltenden Rechts. Es braucht Taten statt Worte und Klarheit statt Populismus. Wir sind dabei!