Für Menschenrechte und Demokratie in der Türkei und eine wertegebundene Außenpolitik von EU und Bundesrepublik

Resolution: „Für Menschenrechte und Demokratie in der Türkei und eine wertegebundene Außenpolitik von EU und Bundesrepublik“, beschlossen auf der Mitgliederversammlung des SPD-Ortsvereins am 22.03.2017

 

Zur Weiterleitung an Kreisdelegiertenkonferenz SPD-Reutlingen, SPD-Landesparteitag, SPD-Bundesparteitag, SPD-Bundestagsfraktion, sozial-demokratische Mitglieder der Bundesregierung, S&D-Fraktion im Europäischen Parlament: 

Der SPD-Ortsverein sieht die Lage der Menschenrechte und der Demokratie in der Türkei mit großer Sorge. 

  • Seit dem gescheiterten Putschversuch im Juni 2016 wurden fast 140.000 ProfessorInnen, LehrerInnen, PolizistInnen, Soldaten und andere Angehörige des öffentlichen Dienstes entlassen, ohne dass ihre Verwicklung in den Putschversuch nachgewiesen werden konnte. Über 40.000 Menschen befinden sich in Haft. Darunter viele Journalistinnen und Journalisten.

  • Das Verfassungsreferendum fand in einem Klima der Unterdrückung der Nein-Kampagne statt. Während des Referendums wurden von der Wahlkommission willkürlich Regeln verändert. Daneben gibt es weitere ernstzunehmende Vorwürfe auf Unregelmäßigkeiten zu Gunsten der Befürworter. Durch das Referendum wurde die Gewaltenteilung in der Türkei praktisch aufgehoben und Erdogan als Präsidenten eine sehr große, unkontrollierte Machtfülle verliehen

 

Wir sind sehr besorgt über diese Entwicklung und stehen in Solidarität mit den demokratischen Kräften in der Türkei, besonders mit unserer Schwesterpartei CHP. Aus dieser Situation ergeben sich für uns die folgenden Forderungen für die deutsche und europäische Politik gegenüber dem Erdogan-Regime:

  • Wir fordern die sozialdemokratischen Mitglieder der Bundesregierung und die SPD-Bundestagsfraktion auf, alles in ihrer Macht stehende zu tun, um die demokratischen Kräfte in der Türkei zu unterstützen und gegenüber der türkischen Regierung den Wert der Menschenrechte zu betonen. Dazu gehören auch die vollen politischen, sozialen und kulturellen Rechte für alle ethnischen und religiösen Minderheiten in der Türkei wie z.B. Kurden, Alewiten und Christen.

  • Wir fordern die oben genannten ebenso auf, sich für ein Ende des Militäreinsatzes in den kurdisch besiedelten Gebieten der Osttürkei  und die Wiederaufnahme des Friedensprozesses zwischen der türkischen Regierung und friedenswilligen Kräften in den kurdischen Gebieten unter breiter Einbeziehung der Zivilgesellschaft in der Türkei einzusetzen.

  • In Gesprächen mit der türkischen Seite sollte insbesondere ein Ende der Entlassungen von WissenschaftlerInnen, LehrerInnen, Staatsbediensteten und Offizieren gefordert werden. Alle Entlassungen seit dem Putsch von 2016 sollten von einer unabhängigen Kommission überprüft werden. Die Arbeit dieser Kommission sollte von internationalen Beobachtern überprüft werden können. Zudem fordern wir die Freilassung aller gewaltfreien politischen Gefangenen in der Türkei.

  • Wir begrüßen, dass die Bundesregierung eine mögliche Abstimmung über die Wiedereinführung der Todesstrafe in der Türkei auf dem Gebiet der Bundesrepublik nicht zulassen will und fordern die sozialdemokratischen Mitglieder der Bundesregierung und die SPD-Bundestagsfraktion auf alles zu tun, damit es bei dieser Haltung bleibt.

  • Bis zu dem Zeitpunkt, an dem in der Türkei wieder demokratische Verhältnisse im Sinne der Kopenhagener Kriterien für den Beitritt zur EU herrschen, sollen die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei von Seiten der EU nicht weiter verfolgt und finanzielle Unterstützungsmaßnahmen in diesem Punkt ausgesetzt werden. Um eine Isolierung der Türkei zu verhindern, sollten zugleich neue Gesprächsformate z.B. über eine Zollunion entwickelt werden. Dabei sollte die Frage der Menschenrechte immer ein Thema sein. Zudem gilt es den Dialog mit den demokratischen Kräften in der Türkei und der türkischen Zivilgesellschaft zu intensivieren.

  • Das Flüchtlingsabkommen zwischen der Türkei und der EU hat die EU und nicht zuletzt die Bundesrepublik in die Gefahr einer Abhängigkeit von Erdogan gebracht. Zudem sind die Bedingungen in der Türkei für viele Flüchtlinge unzumutbar. Wir fordern deshalb die SPD-Bundestagsfraktion und die S&D-Fraktion im Europäischen Parlament auf nach neuen Wegen für eine gesteuerte Aufnahme von Flüchtlingen zu suchen.

  • Sollte die Türkei die Todesstrafe einführen, entscheidet sie sich offen gegen die Mitgliedschaft in der Europäischen Union! Dann müssen die Beitrittsverhandlungen beendet werden.

  • Die Bundesregierung soll alle Möglichkeiten nutzen, um den Export von Waffen und Waffensystemen in die Türkei in der momentanen Lage zu verhindern und die Genehmigung von Waffenexporten in die Türkei generell und nicht nur im Einzelfall aus den oben genannten Gründen zu untersagen. Diese Forderung richten wir vor allem an das SPD-geführte Wirtschaftsministerium. Zudem sollen die Bundeswehrsoldaten so schnell wie möglich aus der Türkei abgezogen werden.

  • Wir fordern die Bundesregierung in Zusammenarbeit mit den Bundesländern und den Hochschulen dazu auf, verfolgten WissenschaftlerInnen aus der Türkei durch Stipendienprogramme die Fortsetzung ihrer Arbeit in Deutschland zu ermöglichen.

  • Die Nähe der DITIB als Dachverband von Moscheegemeinden und Vertretung der türkisch-stämmigen Muslime hat sich wegen ihrer Nähe zum türkischen Staat als sehr problematisch erwiesen. Wir fordern daher die Verantwortlichen in Bund und Land auf, die Zusammenarbeit mit DITIB und deren finanzielle Unterstützung zu überdenken, bis sich der türkische Staat wieder demokratischen Grundsätzen und der Einhaltung der Menschenrechte zugewandt hat.