SPD-Video-Konferenz zur Istanbul-Konvention

Viele Puzzleteile gegen Gewalt an Frauen

In Deutschland ist die Konvention nach zunächst erforderlichen gesetzlichen Anpassungen seit dem 1. Februar 2018 in Kraft getreten. Zur Eindämmung der Gewalt an Frauen und häusliche Gewalt wird es kein Zaubermittel geben, sondern auch in Deutschland werden noch viele kleine Puzzleteile benötigt werden. Dies wurde in der digitalen Videokonferenz des SPD-Ortsvereins Reutlingen zur Umsetzung der Istanbul Konvention gegen Gewalt an Frauen des Europarats am 4. Mai 2021 schnell klar. 

Leni Breymaier, MdB (SPD) erläuterte Förderprogramme der Bundesfamilienministerin Franziska Giffey zur Umsetzung der Istanbul Konvention, machte aber auch deutlich, dass aufgrund der föderalen Zuständigkeiten Investitions- und Innovations-programme des Bundes allein nicht ausreichten. Beispielsweise sei der Regelbetrieb der mit diesen Programmen auch unterstützten Frauenhäuser in und von den Ländern und Kommunen sicherzustellen. Daran hapere es aber leider häufig. „Dies ist auch in Reutlingen ein Problem, da das Reutlinger Frauenhaus sich nicht um die Ausstattung von neuen Notwohnungen kümmern kann, wenn schon das Personal für die Betreuung bestehender Wohnungen fehlt“, stellte die Sprecherin des Frauenforums Reutlingen, Verena Hahn, klar.

Der SPD-Ortsverein Reutlingen hatte nicht nur den Austritt der Türkei aus der Istanbul Konvention Ende März 2021 zum Anlass genommen, die digitale Veranstaltung anzubieten, sondern auch den 10. Jahrestag der Erstunterzeichnung durch 13 Mitglieds-länder des Europarats am kommenden 11. Mai. Der Austritt der Türkei überraschte viele, auch Breymaier und Dilek Bilenler, die sich kommunalpolitisch unter anderem als Beauftragte für Integration des Bezirksausschusses 6 in München engagiert. Denn gerade in der Türkei gäbe es viele Femizide, also vorsätzliche Tötungen von Frauen aufgrund ihres Geschlechts, berichtete Bilenler, bei denen versucht wird, die Tötungen als Suizide oder Unfälle zu vertuschen.

„Aber auch in Deutschland sind die Zahlen zu Gewaltfällen erschreckend hoch“, stellte Mert Akkeceli, der Vorsitzende des SPD-Ortsvereins Reutlingen, fest. Das Bundesfamilienministerium berichtet von jeder dritten Frau in Deutschland, die mindestens einmal in ihrem Leben von Gewalt betroffen, und von jeder vierten Frau, die Opfer körperlicher oder sexueller Gewalt durch ihren aktuellen oder früheren Partner geworden ist. „Das Gewaltthema gegen Frauen gehört raus aus der dunklen Ecke und mitten auf den Tisch!“ forderte die Bundestagsabgeordnete Leni Breymaier. Nicht die Opfer sollten sich für erfahrene Gewalt schämen. Und die verantwortlichen Männer dürften von dieser Scham der Frauen nicht auch noch profitieren. „Es muss sich etwas in den Köpfen aller ändern, wir brauchen Frauen und Männer, um auch in Deutschland auf dem langen Weg aus der Gewalt gegen Frauen voranzukommen“, ist sich das Frauenforum Reutlingen sicher.

In Reutlingen müsste dazu dringend die Stelle der Gleichstellungsbeauftragten von einer halben auf eine ganze Stelle aufgestockt werden, fordern SPD-Ortsverein Reutlingen und Frauenforum Reutlingen. Nur so könnten beispielsweise auch Konzepte zur Istanbul Konvention zur besseren Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen, wie die Gewalt gegen Frauen vor Ort, entwickelt und als Querschnittsaufgabe umgesetzt werden. Beispielgebend sei die Stadt München, berichtete Bilenler, wo bereits in 2019 eine Fachtagung zur Istanbul Konvention durchgeführt wurde und die Inhalte der Konvention in einem Aktionsplan umgesetzt werden.

Entsprechende Anträge zur Stellenaufstockung der Gleich-stellungsbeauftragten haben die Fraktionen der SPD und der Grünen im Reutlinger Gemeinderat gestellt. Der Erfolg der Anträge sei jedoch ungewiss, angesichts der prekären Haushaltslage und der konträren Diskussionen um den Haushaltsplanentwurf 2021/2022.